
Montag, 26. August, La Rochelle – Port Medoc
Wir verlassen La Rochelle. Es hat uns dort sehr gut gefallen. Von dem Mega Hafen haben wir nicht so viel mitbekommen und wir hatten auch Glück, dass wir kein Mal den Platz wechseln mussten. Ideal war der kurze Weg zum Strand, den wir auch fast immer Morgens oder Abends genutzt haben, um Schwimmen zu gehen. Tagsüber war er bestimmt komplett überfüllt, ich habe es mir gar nicht angeschaut.
Ab 9 Uhr sind wir vollgetankt unterwegs. Zuerst unter Motor, doch gegen Mittag können wir die Segel setzen. Zwischendurch frischt der Wind ordentlich auf und vor Royan bekommen wir auch noch eine blöde Welle. In der Hafeneinfahrt, in der Flussmündung der Garonne „kocht“ das Wasser wieder. Es blubbert und brodelt, ähnlich wie im Golf von Morbihan, die Flussstömung arbeitet gegen die Gezeiten. Der Hafen den wir anlaufen heißt heißt Port Medoc und liegt genau gegenüber von Royan. Vor 44 Jahren war ich mit meiner Schulfreundin Wuschel in dem angrenzenden kleinen Ort ‚Le Verdun sur Mer’ für zwei Wochen Sommerferien in einen französischem Ferienlager.
Wir lernen im Hafen Gitti und Jörg mit ihrer SY BRUTY kennen. Vor zwei Tagen hatten uns Birgit und Jörg auf den YouTube-Blog der BRUTY hingewiesen und ich hatte mir auf der Fahrt zwei, drei Videos ihrer Segeltouren in der Ostsee angeschaut. Wir tauschen uns aus und erfahren, dass die beiden planen am nächsten Tag nach Hondarribia zu segeln. Die Strecke bis Hondarribia beträgt ca.150 SM und ist nicht in einer Tagesetappe zu schaffen. Auch wir haben diese Etappe als Nachtfahrt geplant und sind froh, diese erste richtige Nachtfahrt nicht alleine angehen zu müssen. Das Wetter wird beständig gut mit wenig Welle. Danach kommt ein Regentag. Den wollen wir natürlich auch nicht erwischen und planen kurzentschlossen uns den beiden anzuschließen. Aus dem Grund gibt es keine Erkundung von Le Verdun sur Mer, dafür eine frühe Nacht. Vor Aufregung schlafen wir natürlich unruhig.
Dienstag, 27.August Port Medoc (Nachtfahrt)
Um mit der Strömung den Hafen zu verlassen starten wir erst um 12.00 Uhr. Genug Zeit um vorher ein Brot zu backen, das ich schon am Vortag vorbereitet hatte und den kleinen Hühnerbraten vom Markt in La Rochelle im Airfryer zu braten. Den Plan aus Fisch, Frikadellen zu machen, lassen wir einstimmig verfallen, denn falls der Fisch nicht ganz in Ordnung ist, möchten wir diese Begleiterscheinungen nicht auf einen Segeltrip von 36 Stunden ausprobieren. Der Fisch wurde kurzerhand entsorgt, auch wenn wir eigentlich nie Lebensmittel wegwerfen. Hier geht die Sicherheit vor. Wir haben genug andere Lebensmittel an Bords, um uns gut zu bekochen. Frisches Roggenmischbrot mit hauchzartem Schinken, frischer Gurke und Chili Jalapenjo macht den Anfang, beim Start, während der Motor ruhig vor sich hinschnurrt, es ist nicht genug Wind zum Segel setzen.
Da bekommt Marcus plötzlich die Mail, mit einer Einladung aus dem MOMA aus NYC zur Eröffnung von Thomas Schüttes Austellung am 28.September!!!! Was jetzt? Damit haben wir gar nicht mehr gerechnet. Ich glaube wir müssen erst einmal mit Sharon und Lars telefonieren. Diese Chance ist so einmalig, dass können wir uns nicht entgehen lassen.
Seit 5,5 Stunden läuft auf unserer Backbord Seite ein Band von weißem Sandstrand mit Kiefernwald parallel zu uns und eine halbe SM Steuerbord vor uns sehen wir die SY BRUTY. Die Sonne sinkt langsam tiefer und da wir seit gut 1,5 Stunden die Segel gesetzt haben ist es herrlich entspannt. Fast zu entspannt. Ich stricke und mache Notizen ins Laptop, Marcus döst und macht Notizen ins Logbuch. Es weht nur ein leichter raumer Wind aus NNW, der uns mit gerade einmal 5 KN nach Süden bringt.
Ich überlege schon was ich machen könnte, um den Kreislauf in Schwung zu bringen…Yeah, Delphine! Danke, das war jetzt super schön. Eine kleine Familie hat uns kurz begleitet und mich von der einen auf die andere Bootsseite geschickt unter dem sie mit Freude durch tauchen.
Mittwoch, 27. August, Hondarribia
A new day! Um 7.15 Uhr erhebt sich die Sonne hinter dem Strand aus einem blaugrauen Kiefernwald. Vorbei an Moliets-sur-Mer, Seignosse, Capbreton, den Surfer Paradiesen, die unser Sohn Paul viele Jahre im Sommer besucht hat. Wir sind jetzt ein Segel am Horizont, wie er es vom Strand aus immer sehen konnte.
Es schaukelt uns mächtig durch, mir ist leicht übel. Marcus hat gerade einmal 1,5 Stunden geschlafen. Um 23.00 konnte er nicht einschlafen und um 00.30 Uhr hat er mich schon ins Bett geschickt. Irgendwann gegen 3.00 Uhr habe ich dann noch einmal die Wache übernommen. Irgendwie unheimlich so durch die Nacht zu brausen. Es war auch etwas laut, da der Motor die ganze Zeit auf 1500-1800 Umdrehungen lief. Der Mond stand als breite Sichel am Himmel und ich konnte den Strand auf der einen Seite sehen und vor uns die Positionslichter der SY BRUTY. Kurz mal runter zum Navitisch und die Strecke auf dem Navionics-Programm am iPad überprüfen, dann wieder an Deck und das Rücklicht der BRUTY suchen und Plotter und Radar checken. Es ist sehr angenehm ein zweites Boot in der Nähe zu haben. Jetzt steht die Sonne schon hoch und Marcus hat sich zum Glück noch einmal im Salon auf die Bank gelegt. Ich habe bestimmt 5 Stunden gut geschlafen und fühle mich recht fit. Wenn nur die Welle nicht wäre, da packe ich den Rechner lieber wieder weg, vom Schreiben wird’s mir noch übler.
Wir haben es geschafft und sind in Nordspanien angekommen! Marcus hat kaum geschlafen und fällt am Nachmittag in einen Tiefschlaf. Er kann endlich entspannen.
Wir kennen Hondarribia von unserer Frankreich/Spanienreise von 2016 als wir hier eine große Tour mit dem VW Bus gemacht hatten. Damals holten wir Paul in seinem Surf Camp ab und brachten ihn nach San Sebastian zu seinem Spanisch Sprachkurs. Zum Abendessen gehen wir in die selbe Tapas Bar wie vor neun Jahren. Immer noch genauso lecker. Gitti und Jörg stossen zu uns und es gibt noch eine große Platte spanischen Jamon in der Vinothek, Marino Etxa.
Donnerstag, 29. August, Hondarribia
Wir haben uns entschieden nicht nach New York zu fliegen, wir werden nicht zu der Eröffnung von Thomas Schüttes Ausstellung ins MOMA gehen. Die Vernissage ist am 24. September. Da planen wir noch San Sebastian, Bilbao und Gijon anzulaufen. Es geht nicht alles…
Die zur Provinz Gipuzkoa gehörende Hafenstadt Hondarribia, liegt nordwestlich von Irun an der Mündung des Flusses Bidasoa, der hier die Grenze zu Frankreich bildet. Auf der anderen Seite der Flussmündung liegt die französische Stadt Hendaye. Die Spezialität hier sind Pintxos (Tapas). Wir sind dem Reiseführer gefolgt und zeitig in dem Restaurant ‚Gran Sol’ auf der Calle San Pedro, zusammen mit Gitti und Jörg, die auch immer auf der Suche nach guten Restaurants sind. Schinkenplatte, gegrillter Pulpo, Minitacos, asiatisch anmutender Fisch und ein Fois Gras mit karamellisiertem Ziegenkäse und Grapefruchtsoße. Davon müssen wir tatsächlich noch ein zweites Pintxos nachbestellen. Wir sind gerade fertig da melden sich Birgitt und Jörg von der SY ESCAPE, auch sie haben die Nachtfahrt hier runter gut überstanden und wir verlagern uns in die Vinotheka Itxaropena gegenüber. Die Wörter im Baskenland lassen sich beim besten Willen nicht aussprechen mit den ganzen X und Ks. Die Typographie der Schilder und Texte ist auch sehr ungewöhnlich durch kräftige, verschnörkelte Buchstaben. Unsere Runde ist fast so laut und lebendig wie die der Spanier.
Freitag, 30. August, Hondarribia
Wunderschönes Schwimmen heute morgen im fast glatten Meer. Der Strand ist leer und frisch geharkt und wird auf der linken Seite von einem Berg begrenzt vor dem einige Hochhäuser stehen, am Berghang Holzhäuser mit Schweizer Anmutung. Es ist etwas dunstig und wir belohnen unsere Aktivität mit einem Café con lèche und einem Tostado mit frisch geriebener Tomate und Olivenöl. Wir arbeiten an unserem Blog und waschen zwei Maschinen Wäsche. Es trocknet schwer, denn die Luftfeuchtigkeit ist sehr hoch.
Gitti hat Geburtstag und wir sind zum Apero auf der SY BRUTY eingeladen. Ich habe ihr ein Blech Zimtschnecken gebacken und unseren Marmeladenschrank mit Mirabellenmarmelade aufgefüllt. Das letzte Glas Blaubeermarmelade ist verspeist, leider nicht mit den Seglern der Adagio aus Schweden. Wir wollen noch in die mittelalterliche Stadt mit dem zum Paradores umgebauten Teil der Altstadt und verlassen die Truppe. Zum Stärken kehren wir in Bar/Restaurant Loretxu ein. Zwei nette junge Mädchen lassen mich an ihrem Glas mit rötlichem Getränk nippen. Entweder war es Calimocho, (Kalimotxo) Cola mit Rotwein und einem Schuss Zitrone oder es war Tinto Verano, Rotwein mit Zitronenlimonade. Es schmeckte nicht, denke es war die Cola Version, denn Rotwein mit Limo bestellte uns schon mein Vater in Italien, als wir 11 oder 12 Jahre alt waren. Diesen Drink werde ich noch ausprobieren, ich fand es immer lecker.
Wieder ist das Essen so ausgezeichnet. Köstliche Muscheln mit einer Soße in der Schale serviert(Zamburinas a la plancha), ein Ministück Steak mit gerösteten Paprika, (Taco de vaca), (Txipiron a la plancha), gegrillter Calamares und nach dem Spaziergang gab es noch einen köstlichen großen Salatteller mit Tintenfisch aus dem Glas und frisch gegrillte Foie gras, fast wie ein Dessert! Hondarribia hat nicht zu unrecht den Ruf der besten nordspanischen Küche.
Samstag, 31. August, Hondarribia – Pasaia
Herrlicher Sonnenschein am Morgen und wunderbar warm. Wir gehen direkt an den Strand und schwimmen eine große Runde. Das Wasser hat 22 Grad! Wieder belohnen wir uns mit einem Frühstück im Café. und werden von dem Kellner zurechtgewiesen, da wir uns einfach an einen Aussentisch gesetzt haben, ohne zu fragen. Dachte das gilt nur für Restaurants, nicht für Cafés.
12.15 Uhr Leinen los. Eine herrliche Fahrt entlang der leicht dunstigen Steilküste, bis ins 12 SM entfernte Pasaia. Wir angeln unterwegs zwei Makrelen. Eine kleinere und eine größere. Mir springt die größere fast aus der Hand, ich quietsche laut. Marcus erlegt sie recht schnell und waidmännisch, so nennt man das glaube ich. Wir sind schon um 16.00 Uhr im Hafen und machen an einem anderen Schiff fest, da es nicht viele Gastplätze gibt und warten auf den Hafenmeister. Die Einfahrt in die Flussmündung zum Hafen, zwischen den hohen Steilküsten, war atemberaubend schön. Der Hafen teilt sich auf in einen kleinen Gasthafen und einen Industriehafen. Gegenüber von uns liegen große Tanker, die gerade beladen oder repariert werden. Es brummt die ganze Zeit. Wir sehen in eine Schlucht von Hochhäusern, durch die der Zug nach San Sebastian fährt. Morgen soll es eine Ruder Regatta in SanSe geben, das möchte Marcus gerne sehen. Der Küstenpfad der hier beginnt, dem Fluss folgt und dann zu der Einfahrt zum offenen Meer führt, würde ich gerne noch laufen. Hoffe Marcus kann mit seinem Fuss die Strecke mitgehen.
Gerade fegt ein heftiges Gewitter über die Flussschneise und den Hafen, es wackelt, blitzt und donnert.
Sonntag, 1. September – ein Tag in San Sebastian
Wir müssen warten bis die Franzosen den Kopfplatz am Steg neben uns freigeben, um unser Boot dahin zu verlegen. Dann endlich können wir mit der kleinen Personenfähre den Fluss überqueren und den Bus nach SanSe nehmen. Wir haben es eilig, da wir zu der Ruderregatta, ‚Las Regatas de la Concha’, wollen die seit 1879, jedes Jahr am ersten und zweiten Sonntag im September in San Sebastian stattfindet. Die Ruderboote sind mit 13 Mann Besatzung ausgestattet und einem Steuermann. Wir konnten bei uns im Hafen schon einen Testlauf dieser Boote erleben. Da geht es rau zu wenn die Mannschaft mit animalischen Gebrüll angefeuert wird. Die Mannschaft unserer Hafenseite trägt pinkfarbene Trikots, „San Juan“. Von der Ruderregatta selbst bekommen wir nicht sehr viel mit, da um die Bucht viele Absperrgitter stehen und wir nicht erkennen können wo die Strecke verläuft.
Erst als wir nach dem Essen Siesta im Schatten der großen Plastik, am Paseo Nuevo, unterhalb des Monte Urgull, machen, sehen wir die abgesteckte Strecke, die weit hinaus ins Meer führt. Die große Stahlplastik, ‚Empty Construction‘ von Jorge Oteiza, dient uns als Sonnenschirm und Schattenspender. Bis 16 Uhr herrscht ein lautes Treiben in der Altstadt und alle Restaurant, Tapasbars und Cafés sind rappelvoll.
Hier unsere Tipps für gutes Essen und exzellente Tapas:
- Cervecerías La Mejillonera
- La Viña, bester Käsekuchen
- La Cuchara de San Telmo
Die Sonne scheint und alle flanieren über die Promenade, falls sie nicht vor einer Bar tanzen. Die Bänke unter den uralten Bäumen, Tamarisken in skuril wachsender Form, im Parque Alderdi Eder werden gut genutzt.
Es reicht uns. Fürs Baden sind wir zu müde, obwohl die Sonne scheint und das Wasser herrlich glitzert, treten wir den Rückweg an. Unsere Müdigkeit verfliegt als wir zu unserem Hafen Pasaia übersetzen. Die Steilküste mit den Holzhäusern strahlt in der Abendsonne. Der ganze Ort scheint sich auf dem Platz am Wasser versammelt zu haben. Für Autos am Wochenende gesperrt dient der Platz den Kindern als Badestrand und großer Spielplatz. Alle springen unermüdlich ins Wasser, die Jungs suchen nach immer neuen und noch höheren Absprungmöglichkeiten. Auf dem Holzbalkon, hinter ihrer weißen Wäsche beobachtet eine Frau das Spektakel, die Bars rund um den Platz sind bis auf den letzten Stuhl belegt. Ein Wimmelbild mit immer neuen Fotomotiven für uns. Das Licht verschwindet mit der Sonne hinter dem Berg, es frischt auf, Zeit für alle nach Hause zu gehen.
An Bord sehen wir die Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen mit großen Entsetzen. Eine rechtsextreme Partei hat in Deutschland, Sachsen, eine Landtagswahl gewonnen, in Thüringen wird sie zweitstärkste Partei. Jörg Schönenborn zeigt in seinen Wahlanalysen, dass die Migrationspolitik und der Ukrainekrieg wesentliche Merkmale für diese Wahlentscheidung bei der Bevölkerung waren. Und dann geht bei ihm im Studio die Alarmanlage an….wenn das nicht bildlich ist.
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