
Freitag, 2. Mai, A Corūna – Muxia, 46 SM
Wir wollen weiter Richtung Süden und langsam nimmt das Thema ‚Orca‘ an Bedeutung zu. Es ist für uns beruhigender nicht alleine um die Caps zu Segel, deshalb sind wir froh als wir vor dem Hafen auf zwei weitere Boote treffen, die in der selben Richtung unterwegs sind. Es ist ein komisches Gefühl, das jeder Zeit unter uns ein Orca auftauchen könnte, um mit unserem Ruderblatt zu spielen. Der Wind ist nur mäßig und auch nicht aus der richtigen Richtung, deshalb fahren wir unter Motor. Sogar etwas zügiger als sonst, denn Ludger erklärte uns, dass wir den Motor im Idealfall auf 70% seiner Leistung fahren sollten, damit er nicht verdreckt. Sorry, für meine laienhaften Erklärungen, aber Schongang ist nicht für alles das Richtige. Auch als Marcus die Fock herausholt, lässt er den Motor weiter mitlaufen. Der Segeltag, oder Motorboottag ist auch so schon lang und wir wollen nicht trödeln. Zum Glück gibt es noch kalte Nudeln im Kühlschrank, die mische ich schnell mit einer Dose Thunfisch, Mais und einem Glas französischen Ratatouille und Zitrone. Das geht schnell und ich brauche bei dem Hin und Hergeschaukel nicht lange unter Deck zu bleiben. Nach acht Stunden erreichen wir den Hafen von Muxia, wir haben uns unterwegs umentschieden und sind nicht, wie vorher geplant nach Camariña gefahren. Muxia ist kleiner und auch das absolute Ende vom Jacobsweg. Es liegt 30 km von Fisterra entfernt und viele Pilger kommen noch hierher wegen der Wallfahrtskirche ‚A Virxe de Barca’, was bedeutet ‚Unsere liebe Frau vom Boot’. Leider fiel die alte Kirche 2013 einem Feuer zum Opfer und ist Innen ausgebrannt. Es hängen aber immer noch Schiffsmodelle unter der Decke, die von geretteten Schiffbrüchigen gestiftet wurden. Wir laufen auf das Kap und die Kirche zu und der Wind peitscht die Wellen gegen die Felsen, sodass alles im leichten Wasserdunst wie im Nebel erscheint. Viele Pilger sind gekommen und genießen die Abendstimmung, auch wenn die Sonne sich nicht sehen lässt. Die großen Wellen sind faszinierend!
Wir stoppen in einem Restaurant im Ort und essen kleine Jakobsmuscheln, Schwertmuscheln und eine große Schüssel Salat. In Spanien/Galicien wird der Salat pur serviert und dazu bekommt man Miniplastiktöpfchen mit Öl, Essig und einem Tütchen Salz. Die Muscheln waren mit etwas Knoblauch und natürlich viel Öl. Die Schwertmuschel sind uns etwas zu zäh und kommen auch nicht auf die Hitliste. Jakobsmuscheln schmecken süßlich und sehr fein und brauchen nicht viele Zutaten um perfekt zu schmecken.
Samstag, 3. Mai, Muxia
Eigentlich ist der Plan noch ein Stück auf dem Camino entgegengesetzt zu gehen, Richtung Fisterra. Das wären 30 km um dann den Bus zurück zu nehmen. Zu weit entscheiden wir und nehmen den Küstenweg in die andere Richtung. Die Wanderapp Komoot führt uns zu einem alten Mühlenweg am Rio Negro. Ein kleiner Fluss an dem mindestens fünf kleine alte Mühlen stehen, die früher zum Mahlen von Mehl genutzt wurden. Der Weg ist komplett mit einem Holzsteg befestigt und führt über kleine Brücken aus Holz oder Stein. Ich erkenne mindestens drei verschiedene Farnsorten, der große Königsfarn, Osmandus regalis, überragt alles. Frisch und üppig stehen die Wedel noch ganz aufrecht. Der Weg führt bis ans Meer, wo der Fluss mündet und weiter am Strand entlang führt. Auch hier geht der Weg stellenweise auf einem Holzsteg weiter. An einer kleiner Quelle blühen Orchideen auf der Wiese. Große Flächen von gelb blühenden Iris säumen den Rand. Meine Mülltüte ist schon prall gefüllt mit Blumen und Blüten vom Wegesrand. Die Orchideen lasse ich brav stehen. Ein Foto an Ort und Stelle muss es leider tun. Dafür habe ich Felder von wild wachsenden Montbretien entdeckt und mit Hilfe meiner kleinen Gartenschere in der Hosentasche wandern diese auch in die Tüte. Wir sind noch nicht wieder am Boot angelangt, da beginnt es zu Regnen. Ponchos übergezogen und im Eilschritt zurück zum Boot, es regnet sintflutartig.
13 km ist unsere Runde und jetzt müssen alle mit gebrachten Blüten vorsichtig auseinander sortiert werden und in verschiedene Vasen und Gläser gestellt werden, damit ich sie morgen fotografieren kann.
Sonntag, 4. Mai, Muxia – Muros
Zuerst muss ich meine gesammelten Blüten fotografieren. Die Öffnung vom Niedergang ist mein großes Licht für die Blüten, wie in einem Nordlichtstudio, ohne direkte Sonne, aber mit viel Licht von der Seite. Die anderen Fenster im Boot hellen dann die Schattenpartien wieder auf. Ein schönes Licht. Ich arbeite bis Mittags und dann heißt es auch schon Leinen los, um bei Tageslicht unseren Zielhafen Muros zu erreichen. Bei nordöstlichem Wind, 12-18 KN können wir die Fock zeitweise herausholen und erst hinter dem Cabo Fisterra holen wir sie rein, da der Wind abnimmt und es anfängt zu regnen. Ich mache es mir zwischendurch im Salon auf der Bank kuschelig, aber das stört Marcus zum Glück nicht. Das Kap Finisterre ist schon toll und geheimnisvoll für Menschen in früheren Zeiten, die glaubten hier am Ende der Welt zu stehen. Oben auf der Klippe parken einige Womos und mit Sicherheit sind wir für viele Pilger, die dort oben stehen und den Blick in die Weite genießen ein zusätzliches Fotomotiv, auch wenn nicht alle Segel draussen sind. Die Wolken verziehen sich und Schatten und Sonne zeichnen Muster auf die gelb gesprenkelten Hänge, die über und über mit Ginster bewachsen sind. Wir kommen in die nördlichste der großen Rias in die ‚Rias de Muros et Noia’ und die Wellen beruhigen sich, wie erwartet. Der Ort Muros schmiegt sich mit dem Hafen in die nördliche Ecke der Bucht, die weißen Häuser mit roten Dächern, erklimmen den Hang hoch zum Wald. Der Hafen hat eine große Flotte an Arbeitsschiffen mit Kränen, die morgens zu den Muschelbänken zum Arbeiten fahren. Sie haben keine Netzte an Bord sondern Kräne und sind rundherum mit alten Autoreifen abgefedert, um an den künstlichen Muschelbänken festzumachen und dort die Muscheln zu ernten. Die Rías in Galicien, sind Fjordähnliche Flussmündungen und die hier angebauten Miesmuscheln sind legendär, da die Gewässer der Flussmündungen sehr Nährstoffreich sind und die Muscheln einen hohen Gehalt an Aminosäuren und Mineralien enthalten. Das Fleisch dieser sehr großen Muscheln ist kräftig Orange. Eingelegt in Dosen mit Öl, Apfelessig, Lorbeer und Gewürzen sind sie eine Spezialität und schmecken, ich habe mich gerade schlau gemacht, hervorragend zu einem Glas Wermut.
Dienstag, 6. Mai, Muros
Die Nacht war sehr stürmisch und wir sind froh im sicheren Hafen geblieben zu sein. Noch ist uns das Ankern in den Buchten nicht vertraut und wir müssen uns da erst langsam herantasten. Der Vormittag vergeht immer so schnell mit Morgengymnastik, Frühstück und etwas Office,- und Organisationsarbeit. Um 14.00 treibt es uns hungrig wieder zum Mittagstisch für 13,30 Euro ins ‚A Darsena‘, direkt an der Hauptstrasse. Leider gab es kein Fischgericht und die Berge an Fleisch in gekocht, gebratener Form sind zu üppig, zu salzig und zu schwer. Als Vorspeise gibt es meistens ein kaltes oder warmes Reisgericht, Bohnen oder Linseneintopf. Eigentlich würde mir das als Menge zum Mittagessen schon reichen. Im Preis ist das Wasser, der Nachtisch und der Café enthalten. Die fettige und reichhaltige spanische Küche macht uns wieder Lust auf meine Gemüseküche. Wir brechen direkt auf zu einer großen Wanderung. Wir wollen Richtung Kap und Louro an den Praia San Francisco. Toller Name für einen Strand. Parallel zum Meer, oberhalb der großen Straße, führt eine kaum befahrene Küstenstraße, durch lichten Wald und an schönen Wiesen vorbei. Der Strand ist der Hammer! Das Wasser klar und türkisfarben, der Wind am Meer ist noch ziemlich frisch. Eine tapfere Frau geht recht lange schwimmen. Wir entscheiden uns auf der der anderen Seite ins Meer zu gehen, an der Praia de Louro, den Zipfel also noch zu durchqueren. Es gibt dort auch eine große Lagune. Ein Stück Strasse und dann zweigt der Weg ab in eine zauberhafte Fels und Wiesenlandschaft. Gesäumt von alten Steinmauern mit gelben Ginster umwachsen führt der sehr nasse Weg ans Meer. Eine sehr große Bucht, menschenleer, Wind, Welle und geschützte Plätze auf und hinter den Felsen. Nacktbaden ist angesagt, allerdings traue ich mich nicht richtig hinein, da ich die Strömung nicht kenne und natürlich kein Schwimmbereich gekennzeichnet ist. Das Wasser ist eiskalt und so reicht schon ein untertauchen für die komplette Erfrischung. Wir stapfen durch den tiefen, weichen Sand Richtung Lagune und finden dann auch einen kleinen Weg der zur Strasse zurück führt. Der Ort scheint nur für Sommerurlauber und Surfer ausgerichtet zu sein. An einer Strassenbar stärken wir uns mit einem 0% Bier und Erdnüssen. Der Rückweg sollte im kleinen Bogen, noch etwas weiter oben am Berg zurückgehen. Das war ein ordentlicher Umweg wie sich herausstellt, aber in der Abendsonne kaum zu toppen. Wir wandern durch ein Meer dottergelb leuchtenden Ginster, der die Hänge überzieht, dazwischen Eukalyptus, Eichen und Esskastanien. Im Gegenlicht der Sonne strahlt alles und ab und zu blitzt das Meer zwischen den Bäumen durch. Der Wind frischt deutlich auf als wir zum Abstieg kommen und durch den westlichen Teil von Muros den Berg herunterkommen. Vom Hafen aus hatten wir bestimmt schon an die zehn kleine, alte Getreidespeicher, Horreos, gezählt, die am Hang verstreut liegen. Zum Glück hat die keiner renoviert, denn der ganze Ortsteil ist blitzeblank mit Beton zugeschüttet worden. Hier kann man von der Strasse essen. Eingangsbereiche der Häuser glänzend gefliest, alles blitzblank gestrichen. Nur die Horreos durften ihren Charme behalten und ein kleines Stück Magerwiese mit Orchideen und Herzzittergras unter den Kornspeichern auf einem felsigen Untergrund. Mein Schrittmesser zeigt 19 km an. Wir sind um 22.00 zurück und erfahren in den Tagesthemen, das Friedrich Merz zwei Anläufe brauchte um zum Bundeskanzler gewählt zu werden. Kein guter Start für unsere neue Regierung.
Mittwoch, 7. Mai, Muros
Marcus läuft die Morgenrunde, unterwegs beobachtet er die Fischer mit ihren kleinen Booten und Körben an Stangen, wie sie den Meeresgrund nach Muscheln durchwühlen und genießt anschließend ein kleines Frühstück unter den steinernen Arkaden. Ich schreibe derweil die Texte für unseren Blog. Das Wetter ist herrlich, sonnig und windstill und der Vormittag wird genutzt zum Telefonieren, Office und ich mache noch weitere Photos mit den gesammelten Blumen der Wanderung von gestern. Um 14.30 treibt uns der Hunger auf die Promenade in die ‚Bar El Muelle‘. Kein Menü ‚nur‘ ein großer gemischter Salat mit Thunfisch, Monstermiesmuscheln und frittierten Pulpo und einen super cremigen Flan. Wir sind wieder satt bis oben. Für den Nachmittag haben wir Strandtag geplant und radeln die 3,5 Kilometer bis zum Strand San Francisco. Echte Summertime und Urlaubsfeeling. Sonnenbad macht müde! Wir essen grünen Spargel, mit kleinen Kartoffeln, Schinken und Minieier und jetzt reicht nur noch für ein bisschen YouTube. Morgen bleiben wir noch hier, es gibt noch so einiges an Officework zu erledigen.
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