
Montag, 15.Juli, Île d’Houât nach La Turballe
Morgens gegen 6.00 Uhr fängt das Boot an zu schaukeln und Marcus wird unruhig. Der Wetterbericht kündigt für 13.00 Uhr mehr Wind und ab 14.00 Uhr bis zu 25 Knoten an. Kein Wetter um in einer Bucht vor Anker zu liegen. Es ist so grau und das Wasser kabbelig, wir haben noch nicht mal Lust zu einem morgendlichen Bad. Frühstück und zusammenpacken. Wir lassen unseren traumhaften Ankerspot hinter uns, sehr bald wird das Wasser unruhig, es nieselt leicht. Für Paul ist das gar nichts, er bleibt direkt im Bett und wechselt nur kurz die Koje, da es vorne ruhiger ist, wenn der Motor läuft. Gegen 11.00 Uhr krabbelt er von unten auf die Bank nach oben. Eingepackt im Schlafsack, mit Kissen gepolstert und mit der Weste ausgestattet mümmelt er ein kleines Butterbrot und dämmert weiter vor sich hin. Die Augen sind bleischwer und fallen ihm immer wieder zu. Vorboten der Seekrankheit. Ich kenne diese Schwere und Müdigkeit. Zur Mittagszeit laufen wir im neu angelegten Yachthafen La Turballe ein und bekommen einen schönen Platz am Fingersteg mit Blick auf Mole, Fischereihafen und Verbindungsbooten für die Mitarbeiter der Windanlagen auf dem Meer. Es gibt eine große Pfanne gebratene Nudeln mit frischen, aromatischen Zucchini und Schafskäse.
Der Wind hat wie vorhergesagt auf 28 Knoten zugelegt und wir sind froh alle Leinen fest zu haben.
Spaziergang zum Super-U um ein paar Besorgungen zu machen. Auf dem Weg dorthin kommen wir an einem kleinen Fischstand vorbei. Er bietet Hummer und Meeresspinnen zum Verkauf an. Mit Paul an meiner Seite fällt die Entscheidung für den Hummer leicht. Das Kilo kostet 33,- Euro, erscheint mir als super Preis. Im Super-U liegt der Kilopreis bei 39;- Euro und in Deutschland liegt er zwischen 50,- und 70,- Euro. Ok, zwei Hummer mittlerer Größe, sie müssen in meinen Brotbacktopf aus Eisen passen.
Die Sonne scheint ins Cockpit der Wind pfeift, wir verziehen uns hinter die Sprayhood und genießen eine kleine Dose Fischpastete und Weißwein als Aperitif. Dann kommt der große Moment, die lebenden Hummer ins heiße Wasser zu geben. Das kostet mich schon Überwindung. Meine Nerven sind ziemlich gespannt und die Ratschläge von Marcus führen kurz zur Ehekrise. Kopfüber hinein ins kräftig gesalzene Wasser und 14 Minuten warten. Mit kleinen Kartoffeln und brauner Butter und viel Zitrone, wie es mir meine Mama am Telefon erklärt hat. Sie wäre gerne durchs Telefon gehüpft, um mit uns die Hummer zu verspeisen. Einen Hummer zu essen ist ein Kraftakt und erfordert einige Zangen aus dem Werkzeugkasten. Die Stahlschere hat sich bewährt, um den Schwanz aufzuschneiden, die Leatherman Zange ist perfekt für die Scheren.
Austern probiert, Moules et Frites im Restaurant gegessen, Spaghetti mit Muscheln, kleine Langoustinen geknackt, Meeresschnecken und jetzt sogar frischen Hummer an Bord gekocht. Bis auf Jacobsmuscheln haben wir uns gut durch alle Meerestiere durchprobiert.
Dienstag und Mittwoch 16. und 17. Juni
Wir machen einen großen Strandspaziergang mit Paul. Es ist anstrengend durch den groben Muschelsand zu laufen, wir versinken immer tief und müssen auf der Schräge laufen. Das gibt ordentlich Muskelkater.
Mittwoch gehen wir erst zum Markt und kämpfen uns durch die tollen Angebote. Obst, Gemüse, Fisch und Paupillette vom Hasen, lauter Köstlichkeiten. Wir kaufen auch noch einmal Langoustinen, die Paul wieder mit großer Freude verputzt und ein geniales Stück Thunfisch.
Marcus stößt sich den Zeh, als er am Steg den Nachbarn guten Appetit wünscht. Wie wir später in Düsseldorf erfahren ist der kleine Zeh gebrochen und auch das Sesambein. (Noch nie davon gehört) Die Folgen sind auch jetzt, 6 Wochen später noch sehr hinderlich beim Gehen. Wir machen keine Wanderungen seitdem.
Die Romanreihe von Jean Luc Bannalec, begleiten mich seit der Ankunft in der Bretagne.
‚Bretonisches Gold’ 3. Fall von Kommissar Dupin.
Der Krimi spielt in den Salzgärten der Guérande-Halbinsel, also genau hier zwischen unserem Hafen La Turballe, Guérande und La Croisic. Weitere Schauplätze sind im Golf von Morbihan auf der Île aux Moines und Île d’Arz , genau dort wo wir gerade mit unseren Freunden waren und Paul an Bord genommen haben. Kommissar Dupin ermittelt bei den Salzbauern, den Paludiers und ihre Erläuterungen sind mal wieder sehr interessant und erklären viel über die Entstehung von Sel du Guérande:
„Die Blume des Salzes ist das feinste, das edelste aller Salze der Welt, auch das seltenste…. Direkt nach der Ernte hat es ein Veilchenaroma und einen leicht rosigen Schimmer. Nach dem Trocknen ist es strahlend weiß, es macht nur vier Prozent der Produktion aus… es bildet sich nur bei perfekten Wetterverhältnissen. Auf wahrhaft alchimistische Weise. Viel Sonne, geringe Luftfeuchtigkeit und beständiger Wind, der weder zu stark noch zu schwach sein darf, …Ostwinde sind die besten. Der leichte Wind bläst die feinen nahe der Oberfläche schwebenden Salzkristalle zusammen, was eine eisähnliche Schicht erzeugt. Fleur de Sel schwimmt auf dem Wasser. Ordinäres Salz, das sogenannte Speisesalz besteht zu über 99 % Prozent aus reinem Natriumchlorid. Eine Zusammensetzung! Unsere Salze zu nur 91 % Prozent, der Rest aus verbleibender Feuchtigkeit, reinem Meerwasser also, wir nennen es die ‚Salzmutter‘, und vor allem aus zahlreichen lebenswichtigen Mineralien und Spurenelementen. Magnesium, Kalzium“, der Leiter der Kooperative hörte nicht auf, sich zu ereifern, „Mangan, Jod natürlich. Sechzig verschiedene! Und Selen! Brom, Schwefel.“ Auszug von Seite 192
Noch ein kleiner Abschnitt wie der Kommissar auf Spurensuche in den Salinen unterwegs ist.
‚Dupin schaute sich um. Ließ seinen Blick schweifen. Es war ein unübersichtliches Labyrinth. So weit das Auge reichte. Die ganze Landschaft. Unmöglich zu sagen, wo Daerons Saline begann und endete. Die extrem präzisen, pedantischen Rechtecke und die verschlungenen Speicherbecken und Kanäle vermischten sich scheinbar chaotisch. Dupin ging einen weiteren Damm entlang, zu den größeren Becken, der Ton der Dämme hatte ab und an bedenkliche Risse. Folgen der langen Trockenheit und Hitze. Das Wasser floss in Dutzenden, manchmal scharfen, manchmal sanften Biegungen und Abzweigungen. Überall Schleusen….
Donnerstag, 18.Juni, Belle Île
Paul und ich machen uns allein auf den Weg zur Belle Île, da Marcus seinen Fuss schonen muss. Wir nehmen die Fähre bei uns im Hafen von La Turballe und versuchen, zum Glück erfolgreich, unsere Faltfahrräder als Gepäckstücke mit an Bord zu nehmen.
Die Sonne scheint herrlich es verspricht ein richtiger Sommertag zu werden. Nach einer Stunde Fahrtzeit erreichen wir den Hafen von Le Palais. Die Einfahrt der großen Fähre in den den halbrunden, kleinen Hafen, umbaut mit Fischereihallen und kleinen bunten Häusern ist spannend. Die Ankunft von Fähren in Häfen von Inseln hat immer etwas Spezielles. Denn nur über den Hafen kommen die Menschen und alles was man im täglichen Leben braucht auf der Insel an und verlassen diese auch nur an dieser Stelle wieder. Ein munteres Kommen und Gehen mit Vorfreude auf Gäste und Verabschiedungsszenen von Enkeln, Kindern oder Großeltern.
Flughafen, Bahnhof alles in einem und nur viel Schöner, denn man steht an Bord oder an Land und kann sich zum Abschied zuwinken.
Es ist Markttag in Le Palais und mit all den Neuankömmlingen von den Fähren sehr trubelig im Städtchen. Wir decken uns beim Bäcker ein und nach einem Café radeln wir los mit Hilfe einer speziellen Fahrradkarte, die wir im Bureau du Tourisme bekommen haben. Wir fahren Richtung Norden nach Sauzon, die zweite kleine Hafenstadt auf Belle Île. Der Weg führt über kleine unbefahrene Strassen und Schotterpisten vorbei an Heidelandschaft im satten Purpur, mit vielen großen Farnen, abgeerntete Getreidefelder und Feldern mit kleinen Maispflanzen. Paul lernt Pflanzen zu bestimmen: Agapanthus, Hortensie, Blutweiderich, Heidekraut, Ginster und Akanthus. Bei Ebbe sieht das ganze Tal vor Sauzon aus wie ein großes schlammiges Moor mit Steinen und Grasbüscheln. Der kleine Ort schmiegt sich rund um die Bucht und am Ende befinden sich zwei Leuchttürme. Viele kleine Bojen liegen in der natürlichen Hafenbucht und sind mit Booten besetzt. Mit Miniruderbooten gelangt mit an Bord, vertäut das kleine Boot an der Boje und kann dann mit dem größeren Boot losfahren.
Von Sauzon geht es weiter zur Pointe des Poulains. Hier liegt das alte Fort, das die Schauspielerin Sarah Bernhard bewohnt hatte und was jetzt ein Museum ist. Mein erster Kommissar Dupin Roman spielt auf der Belle Île und erwähnt auch das extravagante Leben der Schauspielerin auf der Insel mit ihren exotischen Tieren und den illustren Gästen.
Wir wollen noch schwimmen gehen und entscheiden uns für den Plage Donnant. Die Strasse führt hinab in die sandige Bucht, die wie eine große Düne zwischen den dunkelen Felswänden liegt. Auf dem Parkplatz zwei Surfboardverleiher. Paul wird ganz nervös. Uns kommen viele Kinder und junge Leute mit Brettern unter dem Arm entgegen. Leider ist so gut wie keine Welle in der kleinen Bucht. Nach unserem Picknick leiht sich Paul für einen kurzen Spaß ein Board von einem Surfer am Strand aus und kann ein paar Miniwellen entlanggleiten.
Das Wasser steigt und der Strand füllt sich mit immer mehr Badegästen, wir haben genug Sonne und noch den Rückweg vor uns, weshalb wir nicht so lange bleiben. Die Wege sind jetzt staubiger als am Vormittag, die Sonne brennt schon etwas und unsere Beine sind ordentlich müde. Zur Belohnung gibt es Bier, Cola Breizh und Cafe im PMU in Le Palais. Wir warten am Hafen auf unsere Fähre, die festgemacht an der Boje vor dem Hafen dümpelt. Höhepunkt der Rückfahrt ist ein riesiger Schwarm Delphine. Unsere kleine Fähre verlangsamt die Fahrt und dreht eine extra Runde. Auf jeder Seite des Decks gibt es viel Ahs und Ohs und Jauchzer, wenn die Delphine auf allen Seiten der Fähre auftauchen.
Gegen 20.30 Uhr sind wir zurück in La Turballe und winken Marcus bei der Einfahrt von der Fähre aus zu wie er auf der Flores steht. Thunfisch gebraten mit kleinen grünen Erbsenschoten und Kartoffeln. Apperitif Aperol Spritz.
Paul hat leider Bauchweh, zu viel Meerestiere, zu viel Baguette, zu viel helles Brot und Salzbutter? Zu viel Mutterliebe.
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